Mächtige Klangrede – Symphoniker spielen mit Rouvali und Kavakos im Musikverein

Am Samstagabend dirigierte der Finne Santtu-Matias Rouvali ein Konzert mit den Wiener Symphonikern im Musikverein Wien – zum vierten Mal kam es zu einer Zusammenarbeit mit dem Orchester. Rouvali ist einer der „Künstler im Fokus“ der aktuellen Musikvereinssaison 2023/24, und erst vor einer Woche war die US-Amerikanerin Karina Canellakis in gleicher Funktion zu Gast. Rouvali zur Seite stand im 1. Violinkonzert Opus 99 von Dmitri Schostakowitsch der griechische Geiger Leonidas Kavakos, der in Wien oft zu hören ist und dabei regelmäßig vom Publikum gefeiert wird.

Das war auch am Sonnabend der Fall, denn die Intensität, mit der er bei Schostakowitsch zu Werke ging, übertrug sich gleich im langsamen ersten Satz in den Saal und kündete von einer ernsten, tiefen Auseinandersetzung. In den Folgesätzen arbeitete Kavakos auch einen Zeitbezug heraus, den man fast greifen konnte. Es ist allerdings auch kaum vorstellbar, dass man dieses Violinkonzert losgelöst von Emotionen und Gedanken überhaupt darbieten könnte. Dementsprechend schien Kavakos seine Geige im 2. Satz beinahe in Brand zu setzen, so unablässig war die Arbeit mit Bogen und Saiten in diesem Scherzo, das eigentlich in seiner Ausweglosigkeit eher untergründigen Schrecken verbreitet. Die Klagemusik der Passacaglia gelang ebenso intensiv, bevor Kavakos zur Kadenz vor dem 4. Satz ansetzte und dort das Konzert entgültig in eine einzige mächtige Klangrede verwandelte. Dass man nach dieser packenden Darbietung noch eine Bach-Sarabande von ihm geschenkt bekam, die sich von einem real-präsenten, fast trotzigen Ton in ein überirdisches Verschwinden von Musik und Instrument verwandelte, erzeugte großen Jubel beim Publikum.

Vorneweg hatte Rouvali schon einmal seine Visitenkarte mit dem „Capriccio Italien“ von Peter Tschaikowsky abgegeben, einem Orchesterwerk, das zwar einen fröhlichen Einstieg bot, aber irgendwie mit Schostakowitsch gar nicht zusammengehen wollte. Positiv erstaunt war man allerdings, dass Rouvali das beliebte Schmetterstück derartig sezierte, dass man zum Hinhören gezwungen war und schon das Beckensolo am Beginn zum Bravourakt geriet. Am Ende musste man schmunzeln, weil man nach dieser Aufführung ja etliche im Zwischenohr gespeicherte und eher verschmiert hingelegte Aufführungen des Stücks ad acta legen konnte – ein Kunststück.

Nach der Pause ging es keineswegs mit leichter Kost weiter, denn die 3. Sinfonie von Jean Sibelius steht zwar in lichtem C-Dur, verschlingt sich aber oft in einigen Grübeleien, anstelle erneut dem Pathos der vorangegangenen 2. Sinfonie zu erliegen. Rouvali blieb bei seiner überaus klaren Zeichengebung, die von den Wiener Symphonikern Präzision und Konzentration abverlangte und zu einer höchst schlanken, transparenten Spielweise führte, nicht zu einem Perfektionsexzess, denn Rouvali beförderte auch Leichtigkeit und Gestaltung in der Phrasierung. Insofern gelang dem Finnen gemeinsam mit den Wienern hier eine sorgsam veredelte Interpretation, die Schönheiten des Stücks legten die Symphoniker kundig offen.

Anschließend lud Intendant Stephan Pauly den Dirigenten zum Künstlergespräch „Auf ein Glas“, bei dem man Rouvali, gut aufgelegt und auch rhetorisch im Wortsinn schlagfertig noch von einer anderen, persönlichen Seite erleben konnte. Für das heutige zweite Konzert gibt es noch weniger Karten: https://www.musikverein.at/konzert/?id=0004d1bf

 

Beginne damit, deinen Suchbegriff oben einzugeben und drücke Enter für die Suche. Drücke ESC, um abzubrechen.